
Bild: Ein Richter. Quelle: Tim Reckmann / pixelio.de
Der folgende Text hat nicht die Absicht jemanden anzugreifen oder zu richten (pun intended). Ich will damit zeigen, dass – ein meiner Wahrnehmung nach – äußerst beliebtes Argument meiner Meinung nach äußerst inkonsequent verwendet wird. Das versuche ich, indem ich den Kontext, bzw. das „Einsatzgebiet“, des Argumentes ändere.
Eine konsequenter Richter
Richter: Angeklagter Herr Müller, Sie haben also Herr Meister vorletzten Monat aufgegessen. Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?
Angeklagter Müller: Ich hatte Hunger.
Richter: Aber Herr Müller, das ist kein gutes Argument. Sie haben doch so eine große Auswahl an anderen Lebensmitteln, die Sie essen können, wenn Sie Hunger haben. Wieso haben sie nicht zu einem der vielen anderen Möglichkeiten gegriffen? Dann müsste ihre Essensauswahl nicht den Tod eines lebensfreudigen Lebewesens zur Folge haben!
Angeklagter Müller: Aber Herr Meister hat doch so vorzüglich geschmeckt! Ich könnte mir nicht vorstellen, so ein leckeres Essen mit anderen Zutaten, als Herr Meister oder andere Menschen sie liefern, zuzubereiten.
Richter: Das ist ein überzeugendes Argument. Es ist natürlich allgemein anerkannt, dass Ernährung eine persönliche Entscheidung und Privatsache ist, und es völlig zweitrangig ist, wie sich die Ernährungsentscheidungen auf andere Erdbewohner auswirken, so lange es Ihnen schmeckt. Sie sind selbstverständlich freigesprochen. Ich wünsche weiterhin guten Appetit!
Wer diesen Dialog bescheuert oder merkwürdig findet, kann vielleicht nachvollziehen, wie sich ein ethisch motivierter Veganer fühlt, nachdem alle seine Argumente mit der Aussage „Aber ich könnte mir niemals vorstellen auf den Geschmack von [Tierprodukt XY] zu verzichten!“ ignoriert werden.
#NameTheTrait (Nenne das Merkmal)
Wer jetzt findet, dass das ganze hier eine falsche Analogie ist, weil man das Verzehren von Tieren mit dem Konsum von Menschen nicht vergleichen kann, den Stelle ich vor die folgende Aufgabe:
Nenne mir das Merkmal, dass Tiere besitzen und Menschen nicht besitzen, das ethisch rechtfertigt, dass Tiere gegessen werden dürfen und Menschen nicht. Das bedeutet, dass wenn ein Mensch bzw. ganz konkret du dieses Merkmal besäße, es in Ordnung wäre, auch ihn bzw. dich zu essen.
Beispiel:
„Man darf Tiere essen, da sie weniger intelligent als Menschen sind.“
Wäre ich einverstanden damit, dass ich gegessen werde, wenn ich so intelligent wie ein Tier wäre? Bin ich einverstanden damit, dass wir geistig zurückgebliebene Menschen oder kleine Kinder essen?
Die ehrliche Antwort auf diese Fragen lautet (hoffentlich) „nein“, womit „geringere Intelligenz“ als Merkmal ausscheidet.
Diese Herausforderung gibt es schon länger auf youtube, und ist z.B. unter dem Hashtag #namethetrait („nenne das Merkmal“) bzw. #namethedifference („Nenne den Unterschied“) bekannt.
Ich kenne sie vom Youtuber „ask yourself“, er stellt sie z. B. hier vor. Es kann sogar sein, dass er diese Herausforderung ins Leben gerufen hat.
Eine sehr anschauliche und humorvollere Erklärung gibt es vom Youtuber Kevin Staudt hier, sein Video hat erfreulicherweise deutsche Untertitel. Hier kann man sogar ein Auto gewinnen, wenn man ein geeignetes Merkmal findet.
Und wie immer freue ich mich über jede Art von Feedback zu diesem Artikel! =)