
Bildequelle: Rainer Sturm / pixelio.de
TL;DR: Wer den Film „die Insel“ noch nicht kennt und ungespoilert schauen will, sollte das tun, bevor er weiterliest.
Wer ihn kennt, und gerne auch eine Klon-Zucht betreiben würde – bei dem beiße ich hier wohl auf Granit.
„Das Jahr 2019. Lincoln Six-Echo (Ewan McGregor) wohnt in einem gepflegten, aber mysteriösen Komplex, in dem er gemeinsam mit anderen Menschen gefangen ist. Als Grund hierfür wird ihm erklärt, dass die Welt außerhalb des Geländes verseucht und nicht überlebensfähig ist. Lediglich die “Insel” soll einer der letzten sauberen Zufluchtsorte der Menschen sein, doch nur Wenige dürfen in dieses Paradies aufbrechen. In einer wöchentlichen Lotterie werden die Glücklichen ausgelost, die sich auf die Reise machen dürfen.
Doch die Wahrheit sieht ganz anders aus: Die Welt ist keineswegs unbewohnbar, sondern bevölkert von normalen Menschen, die viel Geld für ihre Gesundheit ausgeben. Dafür züchten sie Klone, die als menschliche Ersatzteillager dienen sollen. Als Lincoln Six-Echo herausfindet, dass auch er ein Klon ist und das Ticket zur “Insel” nichts anderes ist, als das Todesurteil zur Organ-Ernte, bricht seine Welt zusammen. Gemeinsam mit der attraktiven Jordan Two-Delta (Scarlett Johansson), die gerade erst ihr Ticket zur Insel erhalten hat, wagt er den Ausbruch aus der Klonfabrik. Doch so leicht wollen die Besitzer ihre Investition nicht ziehen lassen.“ Quelle: moviepilot.de
Ich mag den Film total. Es war einer der ersten Filme, bei dem ich so etwas wie einen tieferen Sinn wahrgenommen habe. Heute morgen bin ich aufgewacht und habe aus irgendwelchen vielleicht tiefenpyschologisch erklärbaren Gründen diesen Film auf ganz andere Art vor Augen gehabt als bisher. Ich habe ihn einfach mal – von Anfang bis Ende – aus Sicht der Organempfänger wahrgenommen. Und wie sieht der Film dann aus? Nun ein Mensch bezahlt Geld dafür, dass er länger und gesünder leben wird. Prinzipiell keine schlechte Sache, wie ich finde. Dass dadurch jemand anderem geschadet wird, wissen die Organempfänger meiner Erinnerung nach nicht (und wenn doch, weichen wir etwas vom Original ab und nehmen hier einfach an, dass sie großteils vom Organ-Züchter bewusst in Unwissenheit über den genauen Ursprung ihrer Organe gehalten wurden).
Plötzlich kommt nun sein Klon vorbei und der Organempfänger ist davon erstmal leicht überfordert. Da es aber um Leben und Tod für ihn geht, entscheidet er sich dafür, den Tod seines Klons für sein eigenes Überleben in Kauf zu nehmen, wobei er allerdings scheitert und getötet wird. Wir haben also während der Hauptzeit des Films – bis zum Zeitpunkt der Konfrontation mit dem Klon – einen ahnungslosen Konsumenten der seinem Alltag nachgeht, mehr nicht. Und dann jemand, dem sein eigenes Leben wichtiger ist, als das seines Klons.
Als ich den Film schaute, sympathisierte ich mit den Klonen und nicht mit den Organempfängern. Heute morgen bin ich, mit dem Bewusstsein wie absurd das war, aufgewacht. Ich habe eigentlich viel mehr Gründe dazu, mich mit dem Organempfänger zu identifizieren, als mit dem Klon. Es gibt nur einen entscheidenden Unterschied: Während der Organempfänger im Film am Ende zwischen seinem Leben und dem seines Klons entscheiden musste, stehe und stand ich in meinem bisherigen Leben lediglich vor der Wahl, ob es mir meine Bequemlichkeit und meine Endorphinausschüttung wert ist, dass andere Lebewesen, eingeschlossen viele Menschen, dafür leiden und sterben, oder ob ich bereit dazu bin, etwas davon aufzugeben, um damit vielen anderen Lebewesen eine Menge Leid zu ersparen. Mein Leben stand bisher nicht wirklich auf dem Spiel.
Gegen Ende des Films passiert etwas äußerst herzerwärmendes. Einem der Gopfgeldjäger, der die Klone einfangen soll, wird bewusst, dass auch die Klone Lebewesen mit einem Recht auf Leben sind, und hilft ihnen, statt sie zu töten. Ich weiß, das klingt jetzt in den Ohren einiger Leser etwas überzogen, aber: Auch wir können jeden Tag eine ähnliche Entscheidung treffen. Wir können weiterhin dafür bezahlen, dass Menschen ausgebeutet werden, damit wir einen weiteren bequemen Tag auf unserem bequemen geistigen Sofa verbringen können. Aber wir haben auch die Chance, zu erkennen, dass Menschen in Deutschland, Afrika, Brasilien oder Asien, die für unseren Konsum mit einem teilweise äußerst qualvollen Leben bezahlen, ebenfalls fühlende Wesen sind, die das selbe Recht auf Leben, Unversehrtheit und Freiheit haben wie wir. Wir dürfen darüber Nachdenken, ob viele Tiere uns in vielen Dingen nicht doch ähnlicher sind, als wir es die allgemeine Annahme ist, und ob sie – wenn dem so ist – nicht auch eine sinnvolle Auswahl „unserer“ Rechte ebenfalls verdienen.
Es gibt einige sehr böse und skrupellose Menschen auf dieser Welt. Menschen wie der Betreiber der Klon-Zucht, die Macht über viele Menschen haben, und sie zum Verderben vieler einsetzen, nur um dabei Geld zu verdienen. Geld, mehr nicht (durch das sie dann noch mehr Macht zur Unterdrückung von noch mehr Menschen bekommen). Aber es gibt auch viele Menschen wie der Organempfänger oder der Kopfgeldjäger, die es einfach lange Zeit nicht besser wissen/wussten und Menschen wie dem Organ-Farmer unbewusst die Existenzgrundlage garantier(t)en. Wir stehen jeden Tag unzählige Male vor der Wahl: wollen wir Menschen wie den Klon-Zucht-Betreiber finanziell unterstützen und für seine Gräueltaten bezahlen? Ihm durch unsere Nachfrage nach billiger Ware unbekannten Ursprungs erst einen finanziellen Grund liefern, sie auszuüben? Oder stellen wir uns auf die Seite der Klone? Der Ausgebeuteten? (Oder nehmen zumindest mal eine neutralere Position ein indem wir uns so weit es geht raushalten…) Wollen wir wirklich weiterhin skrupellose Ausbeuter bezahlen, die über Kinderarbeit und Sklaverei hinwegsehen, wenn es ihren Geldbeutel dicker macht (das tun viele große Konzerne, die viele regelmäßig finanziell unterstützen)? Ist es wirklich das, was wir wollen? Wen bezahlen wir denn so für unsere Kleidung und Schuhe? Für unsere Nahrung? Für unser Benzin? Wer profitert davon, dass wir in den Urlaub fliegen, und wem schadet es? Was für Auswirkungen hat der Kauf meines nächsten Smart Phones, Computers, Fernsehers, meiner nächsten Verhütungspille oder der Click auf den nächsten Porno? Und kann ich das ganze vielleicht dadurch positiv beeinflussen, indem ich etwas davon woanders kaufe oder aus anderer Quelle konsumiere als bisher?
Sich solche Fragen immer wieder zu stellen, klingt nach einem sehr anstrengenden Leben. Ich bin der Meinung, es lohnt sich. Schalom.
Weiterführende Medien
Dokumentarfilmsfilm: We feed the world (2005)
ARD-Dokumentation: Der Mais Wahn (2014)
Dokumentationsfilm: Food Inc. (2008)
Tedx Talk: Why I stopped watching porn. – Ran Gavrieli (2013)
Zeit-Artikel: Wie Biosprit die Nahrung verteuert (2012)
ZDFzoom: Warum sind Orangen bei uns eigentlich so billig? (2014)
Und gerne weitere auf individuelle Nachfrage.