Hier möchte ich kurz meine Sicht darauf darstellen, weshalb es derzeit keinen Weltfrieden gibt. Dabei sei vielleicht erwähnt, dass ich einen Master in Molekularbiologie mit Schwerpunkt Ökologie und Evolution habe, da meine Erklärung zu dieser Frage vermutlich stark von meiner Sicht als Evolutionsbiologe geprägt ist.
Kurz formuliert ist das Problem meines Erachtens nach folgendes:
Unser Feind ist das in uns, was uns davon überzeugt, dass es völlig in Ordnung ist, das andere Menschen leiden, solange wir davon auch nur minimal profitieren.
Oder etwas länger:
Unser Feind ist das in uns, was uns davon bis hin zur Selbstverständlichkeit (und dadurch ausgeschlossen davon ist, in Frage gestellt zu werden) überzeugt, dass es vollkommen in Ordnung, normal und richtig ist, dass andere Menschen (und andere Lebewesen, die unseres Wissens nach leiden können) bis zu einem beliebigen Ausmaß leiden, solange wir davon auch nur minimal profitieren.
Beispiele für diese These zu liefern halte ich für überflüssig, da wir sie tagtäglich erleben können, aber der Vollständigkeit halber seien hier ein paar (vermutlich ob der Spontanität weniger gut gewählte) genannt: Da wäre zum einen die Tatsache, dass eine Menge Menschen kein Problem damit haben, ihre Kleider in billigen Sweatshops hergestellt zu bekommen, solange sie durch einen günstigen Preis profitieren. Ein weiteres Beispiel wäre der allgemeine Fleischkonsum. Ich lebe seit Mai 2016 vegetarisch (und seit August 2016 vegan) und finde das gar nicht mal so schlimm, es gibt auch genug vegetarische (und vegane) leckere Sachen, z. B. Farlaffelburger (Fleischkonsum war bzw. wäre so gesehen eine minimale Verbesserung meiner Lebensqualität). Mir war auch spätestens seit der 11. Klasse bewusst, dass Fleischkonsum nicht nur negative Folgen für Tiere sondern auch für viele Menschen hat, welche ich an anderer Stelle versucht habe kurz zu präsentieren. Trotzdem habe ich – und viele andere Menschen auch – kein Problem damit gehabt mit meinem (teilweise ziemlich maßlosem) Fleischkonsum anderen Lebewesen zu schaden, da ich selbst davon minimal profitiert habe. Ein weiteres Beispiel wäre der Fakt, dass viele Männer offensichtlich kein Problem damit haben, mit Frauen zu schlafen die das eigentlich gar nicht so toll finden und davon teilweise sogar traumatisiert werden (Stichwort Zwangsprostitution). Wenn man diverse Menschenhändler fragt wieso sie das machen erklären sie vermutlich dass sie ja auch irgendwie ihre Familie ernähren müssen. Ein sehr anschauliche Folge der oben beschriebenen menschlichen Eigenart kann man wunderbar beobachten, wenn man sich einfach mal die Entstehung und Ausführung diverser Kriege ansieht.
Ausnahmen gibt es natürlich zum Glück eine Menge, aber anscheinend gibt es genug Menschen, auf die die Zitate oben zutreffen, um die Erde richtig tief in die Scheiße zu reiten.
Andersrum sind viele Menschen die ich so kenne und beobachte nur dann bereit anderen zu helfen (und davon nicht selbst absehbar zu profitieren), wenn es für sie nur einen minimalen Aufwand darstellt. Ausnahmen gibt es natürlich erfreulicherweise auch hier.
Ich frage mich stetig, ob das genau so sein muss, und der Mensch, bzw. manche Menschen einfach dazu verdammt ist so zu denken (also zu denken dass auch nur die Möglichkeit eines minimalen Profits für einen selbst unvorstellbares Leid anderer rechtfertigt). Als Biologie denke ich zum einen, dass Menschen sog. Spiegelneurone besitzen mit denen sie das, was mit anderen passiert, so mitfühlen können, als würde es ihnen selbst passieren. Das sollte eigentlich dazu führen, dass wir es z.B. als unangenehm empfinden, wenn ein anderer sagen wir mal die Haut bei lebendigem Leib abgezogen bekommt. Zum anderen kann es häufig ein Selektionsvorteil sein, wenn man rücksichtslos denkt und lebt, was bedeutet, dass Menschen die unter bestimmten Bedingungen rücksichtslos waren, eher überlebt und Nachkommen gezeugt haben bis zu dem Punkt, dass sich eine gewisse Skrupellosigkeit in den Genen verankert haben könnte.
Meiner Meinung nach leben wir heute allerdings in einer Zeit, in der das häufig nicht mehr nötig ist und diese Skrupellosigkeit bzw. Untätigkeit bei fremdem Leid uns sogar in der Regel schadet. Denn im Grunde genommen leiden doch viele nicht direkt Betroffene selbst darunter, dass Kinder in Afrika verhungern und syrische Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. Ich hab schon öfters davon gelesen, dass „man diese Bilder nicht ertragen kann“ [von ertrinkenden Flüchtlingen] oder das Menschen keine Lust haben sich z. B. mit dem Thema organisierter Pädokriminalität in Deutschland vertraut zu machen, weil es sie „zu sehr belastet“. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Menschen glücklicher wären, wenn die Menschheit als ganzen sozial werden würde und sich jeder an die Goldene Regel hielte. Das einzige was uns (die wir uns das wünschen) dazu fehlt, ist ein wenig (und mit wenig meine ich eine Menge) Risikobereitschaft. Denn das Problem ist natürlich, dass man schnell ausgenutzt werden kann, wenn man selbst sich an die Goldene Regel hält, die anderen es aber nicht tun. Am besten wäre es, wenn sich ganz einfach auf einen Schlag (und dieser Schlag kann auch mal ein paar Jahre andauern) eine Menge (im Idealfall sehr mächtiger und einflussreicher) Menschen bewusst an diese Regel hielten.
Um das ganze mal etwas abstrakter zu formulieren: meiner Meinung nach ist ein möglicher und durchaus auch realistischer Weg zum Weltfrieden der, dass die Goldene Regel Teil jeder menschlichen Kultur wird. Der Mensch wird nämlich nicht nur von genetischen, biologischen Faktoren wie Spiegelneuronen und bestimmten Genen die rücksichtsloses Verhalten begünstigen belohnen bestimmt, sondern ganz entscheidend auch von seiner Kultur (also grob gesagt allem nicht-genetisch/epigenetisch, sondern z. B. durch Überlieferung, Schrift, Gebäude etc. vererbten, was den Menschen bildet). Der Mensch sollte von klein auf Lernen, dass es dumm ist seinen Nächsten schlecht zu behandeln, weil dass Rache nach sich ziehen kann, und dass es gut ist wenn man anderen in einem sinnvollen Maße hilft, weil man selbst sich dadurch viel besser fühlen kann und der andere einem dann mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch hilft, wenn man selbst mal Hilfe braucht.
Ich versuche hier keine religiöse Abkehr vom Egoismus zu predigen, sondern im Gegenteil, ich bin davon überzeugt, dass es hochgradig egoistisch sein kann, sozial zu leben und zu denken und nach der Goldenen Regel zu leben. Ich halte mich nicht für einen weniger egoistischen Menschen als Erdogan, sondern einfach nur für einen sehr viel klügeren. Es macht mir tatsächlich Spaß, für diese scheinbar völlig aussichtslose Sache (Weltfrieden) zu kämpfen (und somit tue ich es als Egoist), weil ich mir einfach kein besseres Lebensziel vorstellen kann, als eine Welt in vollkommenem Frieden und vollkommener Harmonie mit zu erschaffen.